Die behördlichen COVID-19-Maßnahmen sind (Stand heute) idR. kein Mietmangel

Einige Gerichte beschäftigten sich nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 mit der Frage, ob die hoheitlichen Maßnahmen, wie zeitweise angeordnete Schließung des Einzelhandels etc., einen Mangel im Mietverhältnis im Sinne von § 536 BGB begründen.

Die Tendenz der Rechtsprechung ging deutlich in die Richtung, dass die hoheitlichen Maßnahmen (von vorübergehender Natur) keinen Mietmangel begründen. So lehnten die Landgerichte Heidelberg mit Urteil vom 30.07.2020 (Az. 5 O 66/20) und Frankfurt/Main mit Urteil vom 02.10.2020 (Az. 2-15 O 23/20) eine Minderung der Miete wegen des Lockdowns ebenso ab wie das Landgericht Zweibrücken mit Urteil vom 11.09.2020 (Az. HK O 17/20). Das Verwendungsrisiko für die Mietsache trage grundsätzlich der Mieter, da Maßnahmen die den geschäftlichen Erfolg des Mieters beeinträchtigen, in dessen Risikobereich fallen.

Das Landgericht München beurteilte dies mit Urteil vom 22.09.2020 (Az. 3 O 4495/20) anders: Die Miete könne gem. § 536 Absatz 1 Satz BGB wegen der unterschiedlichen Schwere der Beeinträchtigung durch den Lockdown im April 2020 um 80 %, im Mai um 50 % und im Juni um immerhin noch 15 % gemindert werden. Die Beschränkungen der Behörden fallen nicht in die Risikosphäre des Mieters (hierzu keine weitere Begründung im Urteil). Hierbei handelt es sich um ein wenig aktzeptiertes und schlecht begründetes Urteil, das vermutlich der Berufung/Revision nicht Stand halten wird/würde.

Andererseits kamen die Gerichte (so. z.B. das LG Frankfurt/Main) bei der weiteren Prüfung zu dem Ergebnis, dass die staatlich verordnete Schließung der Verkaufsstätten des Einzelhandels im Zuge der Corona-Epidemie erst dann zu einem Anspruch auf Anpassung des Vertrags unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB führen kann, wenn es aufgrund dessen für den Gewerberaummieter zu existentiell bedeutsamen Folgen kommt. Eine Vertragsanpassung unter diesem Gesichtspunkt setzt nach der Rechtsprechung des BGH (zu anderen Lebenssachverhalten) voraus, dass dies zur Vermeidung eines untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden und damit der betroffenen Partei nach Treu und Glauben nicht zuzumutenden Ergebnisses unabweislich erscheint. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage wurde daher bisher nicht angenommen. Höchstinstanzliche Rechtsprechung hierzu ist abzuwarten.

Überwiegend ist davon auszugehen, dass die Mieter im Zusammenhang mit dem Wegfall der Geschäftsgrundlage zu wenig zu ihrer wirtschaftlichen Situation vorgetragen haben.

Denn außergerichtlich und vor allem in gerichtlichen Verfahren muss der Mieter im Rahmen der Zumutbarkeit im Sinne des § 313 Absatz 1 Satz 1 BGB zur Begründung des Kürzungsanspruchs mehr vorgetragen als „man sei von der pandemiebedingten Maßnahme betroffen“. Es muss konkret dargelegt werden, worin die Beschränkung des vertragsgemäßen Gebrauchs liegt und es muss konkreter Vortrag zur Ein- und Ausgabesituation erfolgen. Berücksichtigung müssen dabei Alternativen und/oder Ergänzungen des Geschäftsbetriebs (z.B. Lieferdienste, Online-Handel etc.) finden, aber auch staatliche Entschädigungsleistungen und die tatsächliche betriebliche Nutzung (etwa auch die Möglichkeit des Mieters Renovierungs-, Umbau- oder Inventurarbeiten vorzuziehen).

Art. 240 EGBG wurde vom Gesetzgeber um § 7 ergänzt, in Kraft getreten zum 01.01.2021. Darin heißt es:

§ 7 Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen

(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.

(2) Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.

Damit hat der Gesetzgeber die gesetzliche Vermutung geschaffen, dass es sich bei den behördlichen COVID-19-Maßnahmen um eine Störung der Geschäftsgrundlage handelt. Mehr aber auch nicht.

Der Gesetzgeber bezweckt damit, dass der Einzelfall betrachtet wird, und ordnet eine gesetzlich vermutete Störung der Geschäftsgrundlage von Gewerbemietverhältnissen an. Mieter sollen damit die Möglichkeit erhalten, vom Vermieter eine Anpassung des Vertrages (z.B. Minderung der Miete) an die Umstände der COVID-19-Pandemie wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) verlangen zu können.

Die Voraussetzungen des § 313 Absatz 1 Satz BGB bleiben aber unangetastet, d.h. die Anpassung des Vertrages (oder gar eine Kündigung nach § 313 Absatz 3 BGB) kann nur verlangt werden, wenn die wirtschaftlichen Folgen der behördlichen COVID-19-Maßnahmen für den Mieter unzumutbar (s.o.) sind.

Die Ausführungen zur Zumutbarkeit bleiben daher von großer Relevanz. Eine Einzelfallprüfung muss zu dem Ergebnis kommen, ob die Grenze der Zumutbarkeit für den Mieter überschritten ist. Sonst kann eine Änderung des Vertrages nicht verlangt werden.

Meiner Meinung nach bleibt es nach der Gesetzesänderung zum 01.01.2021 dabei, dass die behördlichen COVID-19-Maßnahmen nicht zu einem Mangel gem. § 536 BGB führen. Andernfalls hätte der Gesetzgeber hier angesetzt, und nicht § 313 BGB ergänzt.

Bei neuen Mietverträgen oder auch bei Nachträgen empfiehlt es sich, Regelungen mit Risikoverteilungen zu Auswirkungen von höherer Gewalt, wie der derzeit bestehenden Pandemie, zu treffen und das Verwendungsrisiko einer Partei zuzuordnen oder zwischen den Parteien zu verteilen und zu begrenzen. Wenn sich Vermieter und Mieter im Wege außergerichtlicher Verhandlungen auf eine Minderung oder Stundung einigen, ist die Schriftform zu empfehlen. Je genauer die Regeln sind, umso weniger Streit wird mit dem Vertragspartner entstehen.

Gerne helfe ich Ihnen bei der Vertragsgestaltung.